Was die Salzaufnahme mit dem Immunsystem zu tun hat

Autor/in: , Redaktion: Dr. Bertil Kluthe
© Kluthe-Stiftung Ernährung und Gesundheit

Mittwoch, 23. Juni 2021

Ein hoher Salzkonsum kann den Energiehaushalt von Immunzellen empfindlich stören und so deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigen. Dies berichtet ein internationales Forscherteam vor kurzem in der Fachzeitschrift „Circulation“.

Professor Dominik Müller vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) und vom Experimental and Clinical Research Center (ECRC) in Berlin befasst sich schon seit längerem mit der Auswirkung des Kochsalz-Bestandteils Natrium auf das Immunsystem. Im Jahr 2015 fanden er und seine Kollegen heraus, dass eine erhöhte Natriumkonzentration im Blut die Aktivierung und Funktion von patrouillierenden Monozyten beeinflusst. Diese sind die Vorläuferzellen von Fresszellen (Makrophagen). Damals war den Wissenschaftler allerdings nicht bekannt, was dabei genau in der Zelle passiert. Mit einer Reihe weiterer Experimente gelang es ihnen – gemeinsam mit Kollegen der Universität Regensburg und des Flämischen Instituts für Biotechnologie (VIB) / Hasselt University in Belgien – den zugrunde liegenden Mechanismus zu durchleuchten.

Zunächst beobachtete das Forscherteam den Stoffwechsel von Immunzellen, nachdem diese erhöhten Salzkonzentrationen ausgesetzt waren. Bereits nach drei Stunden offenbarten sich Veränderungen. „Die Atmungskette wird unterbrochen: Die Zellen produzieren weniger ATP und verbrauchen weniger Sauerstoff“, beschreibt Erstautorin Dr. Sabrina Geisberger vom Berlin Institute for Medical Systems Biology (BIMSB) des MDC. ATP (Adenosin-Triphosphat) ist die Energiewährung jeder Zelle und universell einsetzbar: zur Synthese von Proteinen und anderen Molekülen, für Muskelkraft und zur Regulation des Stoffwechsels. ATP wird in den Mitochondrien, den „Kraftwerken“ der Zelle, durch eine komplexe Folge chemischer Reaktionen gewonnen, die auch als „Atmungskette“ bezeichnet wird. Hier greift das im Salz enthaltende Natrium ein: „Kochsalz inhibiert sehr spezifisch den Komplex II der Atmungskette“, erläutert Dr. Geisberger. Hierdurch entsteht ein Energiemangel in den Immunzellen, der nicht ohne Folgen bleibt: “ Laut den Studienergebnisse konnten die Fresszellen Krankheitserreger besser bekämpfen. Zugleich könnten Entzündungsprozesse gefördert werden, wodurch sich möglicherweise das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht.“, erläutert Professor Dominik Müller.

Dass diese Vorgänge nicht nur an isolierten Zellen im Labor beobachtbar sind, sondern auch im „System Mensch“, belegten die Wissenschaftler in weiteren Experimenten. In einer Studie nahmen gesunde Männer 14 Tage lang zusätzlich zu ihrer gewohnten Nahrung täglich Salztabletten mit sechs Gramm Kochsalz zu sich. In einer anderen Studie wurde der Zustand der Monozyten im Blut der Probanden nach dem Verzehr einer Pizza untersucht. Der dämpfende Effekt auf die Energieproduktion der Immunzellen zeigte sich nicht nur bei einer längerfristig erhöhten Salzaufnahme, sondern bereits nach einmaligem Pizzagenuss (die Pizza enthielt insgesamt 10 Gramm Salz und damit fast doppelt so viel Salz, wie die Ernährungsgesellschaften Erwachsenen pro Tag insgesamt empfehlen). Weitere Blutentnahmen zeigten, dass der Effekt zwar eine Weile anhielt, acht Stunden nach dem Pizzakonsum aber kaum noch messbar war. „Das ist auch gut so. Denn wäre es zu einer langanhaltenden Störung gekommen, müsste man sich Sorgen machen, dass die Zellen längerfristig nur eingeschränkt mit Energie versorgt werden“, erklärt Professor Müller. Wenn Menschen mehrmals am Tag stark salziges Essen zu sich nehmen, wäre es allerdings möglich, dass es zu einem Akkumulationseffekt kommt.

„Die grundlegende Erkenntnis unserer Studie ist, dass so ein kleines Molekül wie das Natriumion ein ganz zentrales Enzym der Atmungskette extrem effizient hemmen kann“, betont Dr. Stefan Kempa vom BIMSB. „Wenn diese Ionen in die Mitochondrien einströmen – und das tun sie unter verschiedenen physiologischen Bedingungen – regulieren sie den zentralen Punkt in der Elektronentransportkette.“ Es scheint sich demnach um einen sehr grundlegenden Regulationsmechanismus der Zelle zu handeln. Zukünftig sollte untersucht werden, ob dieser Mechanismus auch bei anderen Zelltypen durch Salz beeinflussbar ist. Dies sei äußerst wahrscheinlich, so ein weiterer Koautor der Studie. Denn beinahe jede Körperzelle verfügt über Mitochondrien, die einzige Ausnahme sind rote Blutkörperchen. Wo viel Energie verbraucht wird, befinden sich naturgemäß auch viele Mitochondrien. Das sind Sinneszellen, Muskelzellen, Nervenzellen und Eizellen.

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verfasst von am 23. Juni 2021 um 09:33

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