Schwangerschaft - Ernährungsempfehlungen
Eine bedarfsgerechte Ernährung ist die Voraussetzung für einen ungestörten Schwangerschaftsverlauf. Der Organismus der schwangeren Frau ist so ausgerichtet, dass die Versorgung des Föten in jeder Phase gewährleistet wird.
Deshalb sollte darauf geachtet werden, dass der intensive Nährstofftransport zum Föten den weiblichen Organismus nicht an Nährstoffen verarmen lässt. Die Ernährung ist also dem veränderten Nährstoffbedarf anzupassen.
Energiebedarf
Der Energiebedarf einer schwangeren Frau ist ab dem vierten Monat im Durchschnitt um etwa 255 kcal pro Tag erhöht. Dieser Mehrbedarf ist auf das Wachstum des Föten und der Plazenta zurückzuführen. Im Vergleich zum erhöhten Nährstoffbedarf ist der Mehrbedarf an Energie gering. Deshalb sollten Lebensmittel mit einer hohen Nährstoffdichte (hoher Nährstoffgehalt und niedriger Energiegehalt) bevorzugt werden. Hierfür eignen sich frisches Obst und Gemüse, magere Milch und Milchprodukte sowie Vollkornprodukte. Die Empfehlungen gelten sowohl für Einzel- als auch für Mehrlingsschwangerschaften.
Hauptnährstoffe
Kohlenhydrate
Die Verteilung der Hauptnährstoffe Kohlenhydrate, Eiweiß und Fett entspricht den Empfehlungen für Nichtschwangere.
Der Anteil der Kohlenhydrate sollte 55 % der Gesamtenergiezufuhr betragen, was ca. 260-300 g pro Tag entspricht. Dabei sollten langkettige Kohlenhydrate bevorzugt werden, die den Blutzuckerspiegel langsam und kontinuierlich ansteigen lassen. Besonders geeignet sind Vollkornprodukte, die zusätzlich einen hohen Ballaststoffgehalt aufweisen, was eine schwangerschaftsbedingte Verstopfung lindert bzw. verhindert. Wichtig dabei ist zusätzlich eine reichliche Flüssigkeitszufuhr (mind. 2 Liter), da durch die Quellung der Ballaststoffe ein höheres Stuhlvolumen erreicht und somit die Verdauung beschleunigt wird.
Der Anteil an freien Zuckern sollte 10 % der gesamten Energiezufuhr nicht überschreiten. Als „Freie Zucker“ werden Monosaccharide (Glucose, Fructose, Galactose) und Disaccharide (Saccharose, Lactose, Maltose, Trehalose) bezeichnet, die Hersteller oder Verbraucher Lebensmitteln zusetzen, sowie in Honig, Sirupen, Fruchtsäften und Fruchtsaftkonzentraten natürlich vorkommende Zucker (WHO). Bei einem Energiebedarf von 2000 kcal entspricht dies etwa 50 g Zucker bzw. weniger als 0,5 l Fruchtsaft, Fruchtsaftgetränk oder Limonade.
Eiweiß
Da Eiweiß für den Aufbau von Körpersubstanz benötigt wird, ist der Eiweißbedarf in der Schwangerschaft erhöht. Um ein ausreichendes Wachstum des Föten zu gewährleisten, empfiehlt sich ab der 13. Schwangerschaftswoche eine tägliche Proteinzufuhr von 0,9 g Eiweiß pro kg Körpergewicht und 1,0 g Eiweiß pro Körpergewicht ab der 29. Schwangerschaftswoche (ausgehend vom Normalgewicht). Dies entspricht bei einer 65 kg schweren Frau einer Eiweißzufuhr von mindestens 59 g bzw. 65 g Eiweiß/Tag.
Obwohl tierisches Eiweiß hochwertiger ist als pflanzliches, sollte mit tierischem Protein sparsam umgegangen werden, da es gleichzeitig meist einen hohen Fettgehalt aufweist. Durch die Kombination von tierischem mit pflanzlichem Eiweiß lässt sich die biologische Wertigkeit des Proteins erhöhen.
Fett
Die Fettzufuhr kann während der Schwangerschaft von 30 auf 30-35 Energie% Fett pro Tag leicht angehoben werden. Allerdings ist dabei besonders auf Lebensmittel mit einer guten Fettqualität zu achten. Die empfohlene Zufuhr von 200 mg Docosahexaensäure/Tag kann durch 1-2 Portionen Lachs, Hering und Makrele pro Woche gedeckt werden. 1-2 EL hochwertige Pflanzenöle wie Rapsöl, Olivenöl, Walnuss-, Lein- oder Sojaöl und eine kleine Portion Nüsse, Samen oder Saaten (25 g/Tag) sind ebenfalls empfehlenswert und liefern lebensnotwendige ungesättigte Fettsäuren. Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an gesättigten Fettsäuren wie z.B. Fleisch, Fleischwaren, Wurst sowie Milchprodukte und Käse sollten nach wie vor fettbewusst ausgewählt und sparsam verzehrt werden.
Vitamine
Folsäure
Folsäure besitzt eine besondere Bedeutung bei der Prävention von Neuralrohrdefekten (z. B. offener Rücken, Entwicklungsstörungen des Gehirns). Der Bedarf erhöht sich von 300 µg auf 550 µg pro Tag während der Schwangerschaft. Durch eine rechtzeitige zusätzliche Folsäuregabe von 400 µg synthetischer Folsäure pro Tag kann das Risiko dieser Krankheit um 60-75 % reduziert werden.
Da der Verschluss des Neuralrohres bereits in der sechsten bis achten Woche abgeschlossen ist, die Schwangerschaft aber meist erst zu dieser Zeit festgestellt wird, empfiehlt es sich, bereits vor der Empfängnis auf eine folsäurereiche Ernährung zu achten und mind. 4 Wochen vor Konzeption ein Folsäurepräparat mit 400 µg Folsäure einzunehmen. Besonders reich an Folsäure sind Spinat, Salate, Grünkohl, Rosenkohl, Fenchel, Spargel Tomaten, Hülsenfrüchte, Orangen, Nüsse, Sprossen, Weizenkeime, Vollkornprodukte, Kartoffeln, Leber und Eigelb.
Eine reine Supplementierung ersetzt nicht die natürliche Aufnahme mit der Nahrung.
Vitamin B-Komplex
Der Bedarf an Vitaminen der B-Gruppe ist im Allgemeinen leicht erhöht. Aufgrund der erhöhten Eiweißzufuhr ist der Bedarf an Vitamin B6 um 58% erhöht. Reich an diesen Vitaminen sind insbesondere Vollkornprodukte, Milch, Bierhefe, Fisch, Fleisch und einige Gemüsesorten. Zu beachten ist jeweils eine schonende Zubereitung der Speisen, um Vitaminverluste zu minimieren.
Vitamin A
Obwohl der Bedarf leicht erhöht ist, kann eine zu hohe Aufnahme dieses Vitamins zu Missbildungen des Säuglings führen. Deshalb ist von übermäßigem Verzehr von Leber und dem Einsatz von Vitaminpräparaten abzuraten, vor allem im 1. Schwangerschaftsdrittel. Zu bedenken ist ebenfalls der Schadstoffgehalt der Leber, wobei dieser bei älteren Tieren ausgeprägter ist als bei Jungtieren. Dennoch stellt dieses Nahrungsmittel ein hochwertiges Lebensmittel dar, das in Maßen genossen (ein- bis zweimal im Monat) für die Ernährung der Schwangeren geeignet ist.
Beim Verzehr von Provitamin A (Beta-Carotin) besteht nicht die Gefahr einer Überdosierung. Dieses kommt in allen gelb-orangen Gemüse und besonders in der Karotte vor.
Zufuhrempfehlungen
Vitamin | normaler Tagesbedarf | Tagesbedarf i. d. Schwangerschaft |
---|---|---|
Vitamin A (Retinol-Äquivalent) | 0,8 mg | 1,1 mg |
Vitamin D | 20 µg | 20 µg |
Vitamin E (Tocopherol-Äquivalent) | 12 mg | 13 mg |
Vitamin B1 | 1,0 mg | 1,2 mg (2. Trimester)
1,3 mg (3. Trimester) |
Vitamin B2 | 1,1 mg | 1,3 mg (2. Trimester)
1,4 mg (3. Trimester) |
Vitamin B6 | 1,4 mg | 1,5 mg (1. Trimester)
1,8 mg (2. und 3. Trimester) |
Vitamin B12 | 4,0 µg | 4,5 µg |
Vitamin C | 95 mg | 105 mg (ab dem 4. Schwangerschaftsmonat) |
Niacin | 12 - 13 mg | 14 mg (2. Trimester)
16 mg (3. Trimester) |
Folsäure (Gesamtfolat-Äquivalent) | 300 µg | 550 µg |
Quelle: D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, 2. Auflage, 5. aktualisierte Ausgabe 2019
Mineralstoffe und Spurenelemente
Calcium
Als Bestandteil der Knochensubstanz spielt Calcium eine wichtige Rolle. Steht dem Körper nicht genügend Calcium zur Verfügung, greift er auf die Reserven in den Knochen zurück. Dies fördert die Entstehung einer Osteoporose.
Um den täglichen Bedarf von 1000 mg (1200 mg für Frauen unter 19 Jahren) decken zu können, ist der regelmäßige Verzehr von Milch und Milchprodukten unerlässlich. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt täglich 250 ml Milch, Joghurt, Kefir oder Buttermilch und 50 – 60 g Käse zu genießen. Damit werden ca. 600 mg Calcium erreicht und der Tagesbedarf zu etwa 50 % gedeckt. Weitere Calciumlieferanten sind calciumhaltiges Mineralwasser (> 150 mg Ca/l), calciumreiche Gemüse- und Obstsorten wie Brokkoli, Grünkohl und Rucola sowie Hasel- und Paranüsse. Die empfohlene Menge sollte über den Tag verteilt aufgenommen werden.
Eisen
Obwohl in der Schwangerschaft die Eisenresorption erhöht ist und die Menstruation ausfällt, entwickeln viele Frauen in der Spätschwangerschaft eine Eisenmangelanämie (Blutarmut). Häufig besteht allerdings nur eine relative Blutarmut, die aus der deutlichen Erhöhung des Blutvolumens bei nur geringer Zunahme der roten Blutkörperchen resultiert.
Im letzten Schwangerschaftsdrittel fällt daher der sogenannte Hämatokritwert (Gesamtheit aller festen Stoffe im Blut) von 38-44% auf etwa 34% ab. Aufgrund dessen wird der tägliche Eisenbedarf in der Schwangerschaft mit 30 mg pro Tag angegeben. Eisenreich sind vor allem tierische Produkte, die zudem besser vom Körper aufgenommen werden können. Die gleichzeitige Aufnahme von Vitamin C verbessert die Bioverfügbarkeit aus pflanzlichen Lebensmitteln, wie z.B. Hirse, Roggen, Fenchel und Spinat und Hülsenfrüchten sowie Nüssen und Mandeln.
Jod
Deutschland zählt immer noch zu den Jodmangelgebieten. Die tägliche Jodzufuhr in Deutschland beträgt nur etwa ein Drittel der empfohlenen Menge. Jodmangel führt zu einer Vergrößerung der Schilddrüse (Struma), Müdigkeit und anderen Symptomen. Die Verwendung von Jodsalz bringt nur eine geringe Besserung. Um den erhöhten Bedarf (230g) bei Schwangeren zu decken, wird der regelmäßige Verzehr (2x pro Woche) von Seefisch wie z.B. Kabeljau und Scholle empfohlen. Ist dies nicht möglich, sollte eine prophylaktische Jodsubstitution von 100 µg/Tag über den gesamten Zeitraum der Schwangerschaft, nach Rücksprache mit dem Arzt, vorgenommen werden.
Nährstoffbedarf
Mineralstoff / Spurenelement | normaler Tagesbedarf | Bedarf in der Schwangerschaft |
---|---|---|
Calcium | 1000 mg | 1000 mg (1200 mg bei Frauen < 19 J.) |
Magnesium | 300 mg | 310 mg |
Eisen | 15 mg | 30 mg |
Zink 1 | 7 - 10 mg | 7 - 11 mg (1. Trimester) 9 - 13 mg (2. und 3. Trimester) |
Jod | 200 µg | 230 µg |
1 Die Empfehlung für die Zinkzufuhr steht in Abhängigkeit zur Phytataufnahme
Quelle: D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, 2. Auflage, 5. aktualisierte Ausgabe 2019